Es kommt wirklich eher selten vor, dass ich noch vor dem Weckerklingeln um 5:45 von alleine aufwache, aber wenn es passiert, dann sind das meist Momente der vollkommenen Ruhe.
Oft sind das die Augenblicke, in denen ich mich an Momente oder Geschehnisse erinnere, an die ich lange nicht gedacht habe und die mich auf eine ganz bestimmte Art berühren.
Als ich neulich Morgen völlig ausgeschlafen und ausgeruht um 4:44 in meinem Bett lag, musste ich bei dem Gedanken daran, wie sehr mir der Schlaf noch vor Jahren gefehlt hatte, schmunzeln. Ohh, was war ich übernächtigt damals! Die Zwillinge waren was das Schlafen anging wirklich ’ne Katastrophe gewesen und es gab viele Nächte, in denen ich zehn, zwölf Mal aufstehen musste, weil einer der Beiden weinte, spuckte oder Hunger hatte. Phuu, wie habe ich mir in diesen Zeiten eine Stunde Schlaf am Stück gewünscht. Ich war damals sicher, dass ich nie mehr in meinem Leben von alleine auch nur eine mögliche Schlafminute ungenutzt lassen würde.
Und nun lag ich da, 4:44, ausgeschlafen und nicht den Hauch von Müdigkeit in meinen Knochen. Meine Gedanken drehten sich weiter um die Zeit, in der die Zwillis so klein waren und der Versorgungsaufwand der Beiden so enorm hoch und kräftzehrend war. Dennoch, so sehr ich mich bemühte, ich konnte mich an vieles, was damals alltäglich war, schon jetzt nicht mehr lückenlos erinnern. Wie ich die Beiden abends ins Bettchen gelegt habe, was sie wann gegessen haben, wo sie ihren Mittagsschlaf gehalten haben… In Sequenzen natürlich, aber wen in welches Bettchen und zu welcher Zeit, wie lange mit Fläschchen und wie war das mit dem Mittagsschlaf noch mal? Themen, die damals den Tag und meinen Rhythmus so sehr bestimmt hatten und ein einziges Ringen um jede Minute Schlaf für mich bedeuteten. Und nun, da all dies keine wirkliche Rolle mehr spielte, konnte ich mich kaum noch daran erinnern…
Auch wenn ich wirklich froh darüber bin, dass Schlafen heute wieder zu den selbstverständlichen Dingen in meinem Leben gehört, ein wenig wehmütig machte und macht mich der Gedanke daran, dass ich mich an viele Abläufe nicht mehr so erinnern konnte, schon.
Die Zeit war damals so voll, dass ich vor lauter Versorgen und Alltag oft gar nicht die Möglichkeit hatte zu genießen. Ein Gedanke, der damals wie heute schmerzhaft ist. Wie rochen meine Babies, wie haben sie geklungen, was hat sie zum Lachen gebracht? Momente, die ich gesehen habe, die aber oft genug nicht bis in mein Herz vordringen konnten, weil so viele Aufgaben und „To Do’s“ wie eine steinschwere Mauer davor standen.
Vor etwa einem Jahr dann stolperte ich beim Lesen einer Zeitung über einen Satz, der mich just in dieser Lebensphase derartig packte, dass ich erst mal nur noch heulend über der Zeitung saß.
Es war der Bericht einer Mutter, deren Kinder längst aus dem Haus waren und die mit großer Wehmut berichtete, wie gerne sie die Zeit zurückdrehen würde, wenn Sie nur könnte. Allein dafür, um noch einmal erleben zu dürfen, wie sich die Tage mit ihren Kindern angefühlt haben. Sie berichtete, wie sie damals durch die Tage und Jahre hastete und wie sie so sehr damit beschäftigt gewesen war „Dinge erledigt zu bekommen“, dass sie den Moment im Hier und Jetzt kaum zugelassen und genossen hatte.
Ich erkannte mich in ihren Schilderungen und ihrem Schmerz genau wieder, in der Manie durch die Tage zu hasten ohne innezuhalten und den Moment des jetzigen Glücks zu genießen. Sicher, meine Tage waren – und sind – voll. In den ersten sehr harten Jahren mit drei kleinen Kindern hätte ich es womöglich auch nicht anders handlen können, aber nun war ich an einem Punkt, an dem ich den Kurs langsam ändern konnte und nach diesen Zeilen um so mehr ändern wollte!
Also schaltete ich einen Gang zurück. An diesem Nachmittag machten wir auf dem Rückweg von der Kita keine Einkäufe, sondern gingen direkt zum Spielen nach Hause. Statt mich um die Wäsche und das Abendbrot zu kümmern, lag ich mit den Kindern auf dem Boden im Wohnzimmer und baute Duplo. Ich erlebte Situationen zwischen den Kindern mit einer ganz anderen Freude und Selbstverständlichkeit als sonst, lobte sie für die tollen Ideen die sie beim Bauen umsetzten und ihre riesigen Duplotürme und lauschte in Ruhe ihren Erzählungen.
Das Abendbrot war an diesem Abend nicht on time und die Wäsche, die in der Maschine darauf wartete aufgehängt zu werden, musste weiter darauf warten. Ebenso die Überweisungen, die ich eigentlich noch machen wollte und die Anmeldung beim Kinderturnen.
Aber die Freude und das Glück über das Gefühl, die Prioritäten an diesem Nachmittag genau richtig gesetzt zu haben, wärmten mir das Herz auf eine Art und Weise, wie ich es lange nicht erlebt hatte. Und davon wollte ich auf jeden Fall mehr!!!
Klar, am nächsten Tag sah meine Welt schon nicht mehr ganz so rosa aus. Ich musste aufholen, was ich am Tag zuvor liegengelassen hatte. Die Kids waren an diesem Nachmittag extrem stinkig miteinander und ich war ständig dabei, irgendwelche Streitereien zu schlichten und zu entzerren. Und dennoch, ich fühlte mich viel besser aufgestellt.
Das Bewusstsein dafür, dass auch all die Geschwisterstreitigkeiten, die an jenem Nachmittag zu unserem Alltag gehörten, irgendwann vorbei sein würden, ließen mich selbst diese genießen.
Seit diesem Tag gelingt es mir immer häufiger selbst die nervigen Momenet mit einer anderen Gelassenheit – fast Freude – zu erleben. Die Art und Weise, wie sich unsere kleine Lil höchst empört über ihre blöden Brüder bei mir beschweren kommt. Die Haufen an Spielzeug und Kostümen, die den Boden im Kinderzimmer in Rekorzeit bedecken. Legosteine unter der Fußsohle…
…All das wird irgendwann vorbei sein. Manches davon „zum Glück“, aber vieles eben auch „leider“.
Ist unser Alltag auch heute oft viel zu voll ? JA!
Sind unsere Tage auch heute noch oft chaotisch und anstrengend ? JA!
Bin ich auch heute immer mal wieder verärgert und frustriert über die Massen an Aufgaben und Anforderungen die der Alltag an mich als Mama stellt und all die Dinge die ich nicht erledigt bekomme? JA!
Und dennoch, mit dem Bewusstsein dafür, dass all das nur jetzt geschieht, nur in just diesem Moment meines Lebens passiert, kann ich es mit viel mehr Gelassenheit und Freude annehmen.
Ich denke oft zweisprachig und neulich morgen, als ich wach lag und mir all diese Gedanken durch den Kopf gingen, kam mir plötzlich folgender Satz in den Sinn.
BECAUSE IT’S HAPPENING NOW
Wow,because it’s happening now!!! Alles, Schönes wie Schlechtes, Fröhliches wie Trauriges. Schaflose Nächte,quirlig atemlose Tage, mit Knete und Glitzer verklebte Kinderzimmerteppiche, aufgeweichte Gummibärchen im Playmofach, auf dem Rückweg gepflückte Marillen, die ich nach 6 Wochen Sommerferien in der Seitentasche vom Schulranzen finde… All das wird irgendwann der Vergangenheit angehören und ich bin sicher, dass ich auch all diese Momente ein wenig vermissen werde.
Und genau daran will ich mich immer wieder erinnern, because it’s happening now.
In diesem Sinne, because it’s happening…